07.02.2022

Wir brauchen eine Eliteschule des Sports

Der Vorstand der Kickers-Frauen fordert den Aufbau einer nachhaltigen Talentförderung in Würzburg. Nur so könne dauerhaft die Abhängigkeit von Großsponsoren im Spitzensport verringert und der Nachwuchs bestmöglichst gefördert werden. Im Interview erläutern Gudrun und Heinz Reinders ihre Ideen.

 

Herr Fischer legt sein Amt bei den Kickers-Männern nieder, s.Oliver zieht sich aus dem Spitzensport der Stadt zurück. Ist der Unmut in Würzburg darüber verständlich?

Gudrun Reinders: Natürlich wünscht man sich im Leistungssport die notwendige finanzielle Rückendeckung. Vieles ist mit Geld leichter zu bewerkstelligen. Unmut über den Rückzug finde ich aber die falsche Reaktion. Erstens weil unzählige Beispiele aus dem Profisport zeigen, dass Geld allein kein Garant für Erfolg ist. Da gehört nun mal auch Köpfchen dazu. Zweitens dürfen wir doch nicht vergessen, dass sowohl Flyeralarm als auch s.Oliver sehr viel für den Leistungssport in der Region getan haben. Ich finde, es ist auch der richtige Zeitpunkt, einmal Danke zu sagen.

 

Danke sagen wofür?

Gudrun Reinders: Auch wenn es ab und zu mal holprig war und derzeit die sportliche Situation in einigen Bereichen Würzburgs schwierig ist. Dennoch wurden in den letzten Jahren durch das Engagement die Voraussetzungen für den Spitzensport in der Region geschaffen. Jetzt liegt es an uns allen, diese Steilvorlage zu nutzen.

Heinz Reinders: Das bezieht sich ja nicht nur auf die erreichten sportlichen Erfolge. Auch wurde ja sehr stark das Bewusstsein dafür geschaffen, dass Würzburg eine Stadt des Spitzensports ist. Die letzten Jahre haben doch gezeigt, dass wir in fünf, sechs Sportarten national vertreten sein können. Würzburg hat enormes Potenzial, wir müssen es nur klug nutzen.

 

Wie könnte das aussehen?

Heinz Reinders: Zum einen sind ja nach wie vor viele tolle Sponsoren für den Leistungssport in der Region engagiert. Die Breite der Unterstützer ist doch wirklich sehr beeindruckend. Da steckt viel Know-How in den Unternehmen und viel Spaß an der Förderung des talentierten Nachwuchs.

Gudrun Reinders: Und zum anderen brauchen wir eine Nachwuchsförderung mit Köpfchen. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Zeit ist gekommen für eine Eliteschule des Sports. Wir müssen endlich anfangen, die großen Stärken der Stadt miteinander zu verknüpfen und den eigenen Nachwuchs nachhaltig fördern.

 

Was ist mit diesen Stärken gemeint?

Gudrun Reinders: Würzburg ist ein großer Hochschulstandort, wir haben in der Nachwuchsarbeit sehr erfahrene Leistungssportvereine, und wir haben eine tolle Sportförderung seitens der Stadt. Es ist doch die logische Konsequenz, diese drei Stärken in einer Eliteschule des Sports zu bündeln. Beim Mädchenfußball der Kickers haben wir gezeigt, wie erfolgreiche Nachwuchsarbeit mit dem Nachwuchsförderzentrum funktioniert. Was uns und den anderen Spitzensportvereinen fehlt ist die Attraktivität eines Eliteschul-Standortes.

 

Was heißt das konkret?

Heinz Reinders: Was Würzburg besonders gut kann ist, Schülerinnen und Schüler aller Schulformen zu fördern. Darauf können wir aufbauen und die Eliteschule für junge Talente aller Bildungslaufbahnen anbieten. Ein Gesamtschulkonzept wäre hier der richtige Weg. Drumherum flankieren starke Partner wie die Universität, die Unternehmen der Region und natürlich unsere Spitzensportvereine die Umsetzung. Wir wissen, dass die Stadt Würzburg hierfür offen ist.  

Gudrun Reinders: Optimal wäre ein Standort für eine neues Gesamtschulkonzept, bei dem die Eliteschule des Sports alle Bildungswege vereint. Aber auch ein dezentrales Konzept mit bestehenden Schulen als vernetzte Eliteschule wäre ein wichtiger Schritt in Richtung Attraktivität Würzburgs als Standort der Sportförderung.

 

Aber ist das denn sinnvoll, sich nur auf den Spitzensport zu konzentrieren?

Heinz Reinders: Auf keinen Fall. Würzburg ist eine Sportstadt mit fast 100 Sportvereinen. Das ist ein enormer Standortvorteil. Der Leistungssport kann doch ohne breite Basis gar nicht funktionieren. Leistungs- und Breitensport gehen hier gerade im Jugendbereich Hand in Hand.

Gudrun Reinders: Nehmen wir unseren Mädchenfußball als Beispiel. Im ganzen Stadtgebiet gibt es kein einziges Angebot mehr im Mädchenfußball, außer bei uns Kickers. Das müssen und wollen wir dringend ändern, Leistungsfußball braucht den Breitensport als wichtige Grundlage. Umgekehrt können wir Mädchen für Fußball begeistern und so anderen Vereinen Zulauf an Mitgliedern ermöglichen.

 

Was wären denn die nächsten Schritte, immerhin gab es ja bereits einige Versuche für eine Eliteschule des Fußballs.

Gudrun Reinders: Alle Vereine, mit denen wir gesprochen haben, sehen ebenfalls die Notwendigkeit. Gemeinsam mit der Stadt wird es nun darum gehen, die Möglichkeiten zu schaffen, die es für eine Eliteschule des Sports braucht. Wir können uns sehr gut ein dezentrales Konzept vorstellen. Wichtig ist aber, dass es alle Bildungswege umfasst.

 

Was wäre denn der Nutzen einer Eliteschule des Sports für Würzburg?

Heinz Reinders: Wir haben in den letzten zwei Jahrzehnten erlebt, wie das Auf und Ab im Leistungssport von der finanziellen Unterstützung einzelner abhängt. Gleichzeitig gab und gibt es ja eine sehr gute Nachwuchsförderung im Würzburger Leistungssport. Durch eine Eliteschule des Sports wird die Nachwuchsförderung stärker in den Mittelpunkt gerückt und zu einer Konstanten, mit der auch die Schwankungen im Leistungssport verschwinden werden. Eine Eliteschule des Sports ist eine wichtige Säule für stetigen und gesunden sportlichen Erfolg in der Region. Die Eliteschule des Sports ist keine Folge des erfolgreichen Leistungssports. Sie ist die Grundlage dafür.

Gudrun Reinders: Hinzu kommen müssen natürlich weitere Instrumente. Dazu gehört das geplante Talentscreening an Würzburger Grundschulen genauso wie das Modell der Kita- und Grundschul-AGs, wie wir es im Mädchenfußball seit über zehn Jahren praktizieren. Durch diese Förderung sind wir gegen den bundesweiten Trend im Mädchenfußball gewachsen und selbst während der Corona-Lockdowns haben wir zugelegt. Da sehen wir durchaus Potential, dass auch weitere wohnortnahe Standorte für Mädchenfußball möglich sind.

 

Zum Abschluss muss natürlich die Frage kommen, warum der neuerliche Impuls für eine Eliteschule des Sports ausgerechnet vom Mädchen- und Frauenfußball der Stadt kommt? Die Kickers-Frauen haben gerade erst ihr Gastspiel in der 2. Bundesliga beendet.

Gudrun Reinders: Der Grund hierfür ist entscheidend. Wir haben eine für unsere Möglichkeiten tolle Saison gespielt. Zwei Mal kein spätes Gegentor und wir wären noch in der 2. Liga. Aber die Erfahrung hat auch gezeigt, dass wir den Nachwuchs für stetigen Erfolg im hochklassigen Fußball brauchen. Die Lizenzvereine dominieren die Bundesliga und durch ihre Nachwuchsteams dann auch die 2. Liga. Diese Vereine verfügen über deutlich mehr finanzielle Ressourcen als wir jemals generieren könnten.

Heinz Reinders: Also können wir in diesem härter werdenden Wettbewerb nur mit Köpfchen kontern. Das Ganztagsangebot für Mädchen mit der Förderung in vier Sportarten am Nachmittag war unser Pilotprojekt. Schon im ersten Jahr zeigt dieses Projekt das enorme Potenzial, wenn man Schule und Sportförderung eng miteinander verbindet. Die Eliteschule des Sports setzt da nochmal einen Steigerungsfaktor drauf.

 

 

Zur Person

Gudrun Reinders ist 1. Vorsitzende der Kickers-Frauen und hat 2010 den Mädchenfußball am Heuchelhof mit vier Mädchen gestartet. Heute hat der Verein über 150 Spielerinnen und bestreitet den Spielbetrieb im hochmodernen Soccergirl-Sportpark Heuchelhof. Hauptberuflich ist sie als Lehrerin an einer Mittelschule tätig und Kreisvorsitzende des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands in Würzburg.

Heinz Reinders verantwortet die Finanzen bei den Kickers-Frauen und trainiert seit zehn Jahren Juniorinnen-Teams. Er ist Mitbegründer des Nachwuchsförderzentrums für Juniorinnen an der Universität Würzburg, der bundesweit einzigen Forschungseinrichtung für den Mädchenfußball. Als Professor für Bildungsforschung befasst er sich mit Bedingungen der Talentförderung im Nachwuchsfußball und berät pädagogische Institutionen.

 

Foto: Paul Zottmann

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