25.01.2020

So wird der Nachwuchs gefördert

Vor fünf Jahren wurde an der Universität Würzburg das Nachwuchsförderzentrum für Juniorinnen gegründet. Dort werden Nachwuchsspielerinnen zwischen neun und 16 Jahren nach neuesten trainingswissenschaftlichen Methoden gefördert und zu optimalen Bedingungen der Talentförderung geforscht. Die Erkenntnisse werden nicht nur in renommierten Fachzeitschriften veröffentlicht, auch zahlreiche Bundesliga-Vereine greifen auf das Wissen der Würzburger Forscher zurück. Die U14- und U17-Juniorinnen der Kickers werden im Nachwuchsförderzentrum intensiv gefördert.

 

„Wenn man nicht alles selber macht.“ So hätte das Gründungsmotto des Nachwuchsförderzentrums für Juniorinnen (NFZ) vor fünf Jahren lauten können als ein ForscherInnen-Team rund um Prof Heinz Reinders den Beschluss fasste, die Talentförderung selbst in die Hand zu nehmen. Gemeint war damit die Entwicklung eines Förderkonzepts für talentierte Nachwuchsfußballerinnen, dass es so in Deutschland noch nicht gab und noch immer nicht gibt. Zwei Dinge wollte das Würzburger Team dabei besser machen. Erstens sollten mehr Talente mit besseren Methoden entdeckt und gefördert werden. Zweitens wurde mit dem NFZ die bundesweit erste und einzige Forschungseinrichtung für den Juniorinnen-Fußball etabliert.

 

Gründe für diesen innovativen Weg gab es genug. Mit Ausnahme des „Betriebsunfalls“ Olympia-Gold 2016 hatte der deutsche Frauenfußball den Anschluss an die Weltspitze verloren. Internationale Ligen wurden zusehends attraktiver, internationale Titel blieben aus und vor allem zeigte sich ein erheblicher Schwund der Juniorinnen-Teams. „Fast die Hälfte aller Teams hat der DFB in den letzten zehn Jahren verloren“, beschreibt Reinders den dramatischen Wandel. Bayern und Unterfranken hat es dabei besonders hart getroffen. „Das war für uns ein Anlass zum Umdenken und etwas ganz Neues auszuprobieren“, beschreibt Reinders den Pioniergeist der Anfangszeit.

 

Der erste Baustein war die Entwicklung eines Talentstützpunktes nur für Mädchen. Auslöser war die Beobachtung, dass viele talentierte Spielerinnen nicht in den Leistungsfußball der Verbände wollten. Der Grund: dort müssen sie mit Jungen trainieren, aber nicht alle Mädchen rufen unter diesen Bedingungen ihre besten Leistungen ab. Zudem hätten, so Gernot Haubenthal, Mitgründer und Trainer mit Bundesliga-Erfahrung, die Verbandstrainer bei den Sichtungslehrgängen nicht immer den richtigen Blick für die Spielintelligenz der Nachwuchstalente. „Dort zählen vor allem Athletik und Härte, der moderne Leistungsfußball der Frauen hat sich hier aber längst weiter entwickelt“. Also musste eine Talentschmiede nur für Mädchen her.

 

Seither werden fast 50 Spielerinnen wöchentlich am Uni-Campus nach neuesten trainingswissenschaftlichen Methoden und einem eigens für den Mädchenfußball entwickelten Trainingskonzept gefördert. LeistungssportlerInnen aus Fußball, Leichtathletik, Basketball, Handball und Kampfsport arbeiten regelmäßig mit den Spielerinnen. Das Team um Prof. Reinders kann dabei durch die eigene Forschung zeigen, dass die Spielerinnen an einem reinen Mädchenstützpunkt ihre Leistungen besser abrufen und Spielerinnen aus Juniorinnen-Teams zudem genauso gut Fußball spielen wie ihre Altersgenossinnen, die in Jungen-Teams am Spielbetrieb teilnehmen.

 

Damit ist dann auch der zweite Baustein des NFZ angesprochen. Der Bildungsforscher Reinders hat sich mit dem Sportwissenschaftler Prof. Olaf Hoos zusammengetan und Studien zur optimalen Talentdiagnostik und -förderung durchgeführt. Mit diesen Studien können sie zeigen, dass die Vorstellung der Verbände, nur Spielerinnen aus Jungenteams seien Top-Talente, nicht zutreffend ist. Vielmehr gelte es, für die Vielfalt der Talente auch eine Vielfalt der Fördermöglichkeiten anzubieten. „Die Fachzeitschrift ‚Leistungssport‘ des Deutschen Olympischen Sportbundes hat unsere Befunde veröffentlicht, wir können da also nicht ganz falsch liegen“, ist sich Reinders sicher.

 

Ebenfalls von großer Reichweite ist auch die am NFZ eigens entwickelte Talentdiagnostik SCORE. Der Name ist dabei Programm und steht für Soccer COmpetencies in Realistic Environments und meint die Testung von fußballerischen Kompetenzen in realistischen Spielsituationen. „Wir bewerten die Kompetenzen der Spielerinnen in einer 4-gegen-4-Spielsituation und damit unter verlässlichen Rahmenbedingungen“, erläutert Hoos das Vorgehen. Englische und spanische Top-Clubs arbeiten bereits mit ähnlichen Modellen. Das Besondere des Würzburger Konzepts ist darüber hinaus die einfache Anwendbarkeit für Trainerinnen und Trainer in den Vereinen selbst.

 

Und so kommt es, dass zahlreiche Vereine der Flyeralarm-Frauen-Bundesliga sowie der 2. Bundesliga für ihren Nachwuchs auf das Wissen des NFZ zurückgreifen. Hoffenheim, Leverkusen und Essen gehören neben vielen anderen Clubs zu den regelmäßigen Kundinnen für die Diagnostik aus Würzburg. Bald sind es an die eintausend Spielerinnen, mit denen die Diagnostik entwickelt und weiter perfektioniert wurde. Bald wird die erste App für TrainerInnen zur Leistungsdiagnostik folgen und aktuell wird eine Studie zur Verletzungsprävention im Mädchen- und Frauenfußball ausgewertet. „Das sind brisante Ergebnisse, die ein Umdenken zur Folge haben werden“, verspricht Reinders vielsagend.

 

Ab der kommenden Saison werden die U14 und U17-Juniorinnen der Würzburger Kickers am NFZ gefördert. Vereinsübergreifend werden zudem Spielerinnen bis zur U12 an der einzigartigen Talentmaßnahme teilnehmen können. Das Nachwuchsförderzentrum ist also mit der Talentförderung und den vielfältigen Forschungsaktivitäten sehr breit aufgestellt und es hat fast den Anschein, als bleibt den Machern des NFZ auch nur diese eine Wahl: wenn sonst niemand diese wichtigen Aufgaben im Juniorinnen-Fußball übernimmt, muss man es eben selber machen.

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